Geschichte im Unterricht - Gastkommentar
Obwohl in vielen Köpfen bis heute die Meinung herrscht, man müsse im Geschichtsunterricht Daten, Zahlen und Biografien auswendig lernen, ist das schon seit Jahren nicht mehr so. Die Lehrpersonen zeigen Entwicklungen und Zusammenhänge auf und verknüpfen diese, wann immer möglich, mit der Gegenwart. Natürlich braucht es dazu ein «basales Wissen» – nicht nur von Fakten, sondern auch von politischen und sozialen Prozessen –, um die historischen Entwicklungen verstehen zu können. Zudem gehört in meinem Verständnis die Vermittlung einer historischen Allgemeinbildung als Teil des historischen und kulturellen Erbes unserer Gesellschaft zum Bildungsauftrag der Schulen.
Schülerinteressen
In vielen Fächern sinkt im Verlauf der Schulzeit das Interesse der Schülerinnen und Schüler. Erfreulicherweise steigt dieses im Fach Geschichte mit zunehmendem Alter wieder an, gerade in den letzten Jahren vor der Matura. Dies einerseits, weil Themen wie beispielsweise die Weltkriege des 20. Jahrhunderts oder aktuelle globale Ereignisse die Schülerinnen und Schüler interessieren und Fragen aufwerfen. Andererseits trägt dazu auch bei, dass die jungen Menschen mit 18 Jahren politisch mündige Bürgerinnen und Bürger werden. Im Rahmen des Geschichtsunterrichts und der politischen Bildung kann ihnen aufgezeigt werden, dass die Möglichkeiten, die sie in unserer Gesellschaft haben, ausserordentlich gross sind. Sie können nachvollziehen, dass diese Rechte nicht einfach so von heute auf morgen da gewesen sind, und dass viele Menschen beispielsweise keine direktdemokratischen Möglichkeiten haben, um auf die Politik Einfluss nehmen zu können.
Neue Chancen ...
Der Einsatz von verschiedenen Medien spielt auch im Fach Geschichte eine wichtige Rolle. Die Schülerinnen und Schüler nutzen das Internet für Rechercheaufträge. Im Zusammenhang mit der liechtensteinischen Geschichte und Staatskunde arbeitet man mit dem Lehrmittel «Fürst und Volk», welches seit einigen Jahren nicht mehr gedruckt wird, aber in einer Online-Fassung verfügbar ist. Auch wenn die verschiedenen Dokumente nicht auf dem neuesten technischen Stand sind, so sind sie doch gut einsetzbar. Das nun online vorliegende Historische Lexikon des Fürstentums Liechtenstein ist aus meiner Sicht eine tolle Erweiterung der Zugänge zur liechtensteinischen Geschichte und spricht die Schülerinnen und Schüler sicherlich an. Ich bin davon überzeugt, dass es regelmässig eingesetzt werden wird.
Es gibt zudem im Internet diverse Apps. Die Qualität ist jedoch sehr unterschiedlich und (noch) nicht immer genügend gut. Auch das Erstellen von eigenen Lern-/Lehrvideos für Schüler und Lehrpersonen wird immer einfacher und bietet neue Möglichkeiten. Im Netz gibt es zudem eine grosse Zahl von zum Teil sehr guten Filmausschnitten, die eingesetzt werden können. «Sharepoints» wie OneDrive ermöglichen es sowohl den Lehrpersonen wie auch den Schülerinnen und Schülern, Dokumente einfach zugänglich zu machen. Diese können dort auch zusammenarbeiten und einfach Daten austauschen. Sehr hilfreich, beispielsweise bei der Erstellung von Facharbeiten, sind die Möglichkeiten, Online-Recherchen im Landesarchiv und in der Landesbibliothek zu machen und beispielsweise Zeitungsartikel zu suchen und zu lesen.
... und neue Herausforderungen
Wir haben heute zwar sehr viele Informationen praktisch jederzeit zur Verfügung. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass wir mehr wissen. Nicht erst seit den Zeiten von «Fake News» ist es eine Kernkompetenz des Geschichtsunterrichts, mittels vergleichender Quellenstudien und kritischer Fragestellungen zu klären, was die (historischen) Fakten sind. Dies stets auch im Bewusstsein, dass die (persönliche) Perspektive und die Zeit, in der wir leben, andere Erkenntnisse ermöglichen, als sie beispielsweise die Menschen hatten, die vor 300 Jahren die Gründung des Reichsfürstentums Liechtenstein erlebten.
Die Digitalisierung allgemein und die Möglichkeiten moderner Medien konkret bieten Chancen. Sie sind aber auch eine Herausforderung bei der Aufgabe, den Jugendlichen die Vergangenheit näherzubringen und sie dabei zu unterstützen, selbstständige und kritische Menschen zu werden. Nach wie vor gilt der dem ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuss zugesprochene Satz: «Nur wer weiss, woher er kommt, weiss auch, wohin er geht.» Dazu leistet der Geschichtsunterricht einen wichtigen Beitrag.
Über den Verfasser
Christian Marti ist Lehrer für Geschichte und Deutsch sowie Prorektor am Liechtensteinischen Gymnasium.
Geschichte wozu? Eine Artikelserie des Liechtenstein-Instituts
Mit dieser Beitragsreihe möchte das Liechtenstein-Institut die gesellschaftliche Bedeutung der Geschichte und der Geschichtsforschung in ihren verschiedenen Facetten beleuchten. Die inhaltliche Verantwortung für die einzelnen Beiträge liegt jeweils bei den Autorinnen und Autoren. Dieser Gastbeitrag erschien im Liechtensteiner Volksblatt vom 12. Januar 2019.