100 Jahre Zollanschlussvertrag mit der Schweiz
Text: Rupert Quaderer
Am 2. August 1919 fasste der Landtag einstimmig den Beschluss, den seit 1852 bestehenden, 1876 revidierten und noch am 14. Juni 1919 im Landtag provisorisch bestätigten Zoll- und Steuervereinsvertrag mit Österreich-Ungarn aufzukündigen. Die Gründe, diesen für Liechtenstein folgenreichen Entscheid zu fällen, lagen in der politischen und wirtschaftlichen Krise Österreich-Ungarns nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, insbesondere auch im Zusammenbruch der österreichischen Kronen-Währung. Dazu kamen die Arbeitslosigkeit sowie der Mangel an Lebensmitteln und Rohstoffen als weitere Krisenfaktoren. Neue Wege mussten gesucht und beschritten werden.
Als Ausweg aus diesen Schwierigkeiten sah eine Mehrheit im Lande den wirtschaftlichen Anschluss an die Schweiz. Vom Fürstenhaus war es vor allem Prinz Franz, der für den Abschluss des Vertrages eintrat. Am 26. Januar 1920 ersuchte die liechtensteinische Regierung den Schweizerischen Bundesrat, Verhandlungen über einen Zollanschluss aufzunehmen. Die Verhandlungen durch eine gemischte, schweizerisch-liechtensteinische Kommission erwiesen sich als kompliziert wegen der zahlreichen anstehenden Abklärungen in mehreren Bereichen. Zudem kam es zu Widerständen in Liechtenstein und im angrenzenden Bezirk Werdenberg.
Am 29. März 1923 erfolgte die Unterzeichnung des Vertrages in Bern. Bis zu dessen Ratifikation am 26. Mai durch den liechtensteinischen Landtag und am 4. Oktober respektive am 21. Dezember durch die eidgenössischen Räte (Ständerat und Nationalrat) waren allerdings noch etliche offene Fragen zu klären. Am 1. Januar 1924 trat der Vertrag in Kraft. Vier Monate später, am 11. April 1924, beschloss der Landtag zudem die Einführung des Schweizer Frankens als gesetzliche Währung.
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Abbildung: Ratifikationsurkunde des Schweizerischen Bundesrat vom 26. Dezember 1923 über den am 29. März 1923 unterzeichneten «Vertrag zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet» (Liechtensteinisches Landesarchiv, SgSTV 0038).